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Reise ins vergangene Jahrhundert

- einige Tage auf den Plains um 1870

von Albert Brieskorn 

Hallo liebe Freunde der Plainsindianer....

Heute möchte ich euch einladen, mit mir zusammen eine Zeitreise zu machen. Ihr denkt so etwas wäre nicht möglich, doch möchte ich Euch mitnehmen auf meine Reise in ein kleines indianisches Zelt-Dorf, so ungefähr in der Zeit um 1870.

Wir begeben uns zurück durch die Zeit und befinden uns in den großen nördlichen Prärien.

Wir gleiten in unserer Phantasie über die wellenförmige Prärie, welche schon in unserer Jugend Karl May als "Rolling Prärie" beschrieben hat -  unter uns sehen wir das gelbe, hüfthoch stehende Gras wie es den größten Teil des sandigen Bodens bedeckt. Jetzt tauchen einige kleine Mischwälder auf, ein Fluß mäandert zwischen den Bäumen hindurch - ein idealer Lagerplatz für eine kleine Jagdgruppe.

Crow Camp - Howard Terpning

Jetzt sehen wir auch am Waldrand zum Ufer hin die spitzen Kegel der Zelte...Tipis, wie sie in der Lakota-Sprache genannt werden.

Hier wollen wir verweilen und zusehen, wie ein Tag in einem indianischen Lager der Lakota-Sioux abläuft.

Die Nacht scheint vorüber zu sein, denn im Morgengrau liegt schwer der Tau der Nacht auf den Gräsern. Hinter den Hügeln kann man schon den kommenden Tag ahnen, verkündet doch die Helligkeit die aufsteigende Sonne.

Im feuchten Gras sieht man gut die Spuren welche zum Wald oder Buschrand führen....es waren die älteren Männer welche ihr Wasser nicht mehr halten konnten und beim ersten Morgengrauen das Zelt verließen.

Die ersten Hunde streunen schon durch das Lager, auf der ewigen Suche nach etwas Nahrhaftem. Es gibt nicht viel für die Hunde, nur das, was an verdorbenem Essen der Menschen übrig ist, oder die ihnen vorgeworfenen, ausgekochten Knochen der letzten Mahlzeit. Das muss ihnen genügen, sollen sie doch von dem Kleingetier welches sich ständig rund um das Lager oder bei den Pferden bewegt, etwas fangen.

Die Tipis tragen noch die Feuchte der Nacht auf ihren Planen......es sind bis auf eine Ausnahme, schon aus Leinwand hergestellte Tipis.

Die weißen Händler zu denen man eine Hassliebe entwickelt hat, bringen nicht nur Krankheiten, Alkohol und Schießpulver, nein, sie haben auch große Bahnen von herrlichem weißen Leinen aus denen man Tipis nähen kann.
Wie schwer war es doch vorher, aus dem so dünn gegerbten weichen Büffelleder, welches das Tageslicht durchscheinen ließ, zusammen mit den anderen weiblichen Familienangehörigen mittels einer Knochenahle und Sehne (meistens die langen Beinsehnen vom Elk) in oft tagelanger Arbeit aus 7-12 Häuten ein Tipi zu nähen.

Wie schwer lagen bei Regen diese nassen Lederhäute auf den 13 bis 16 Stangen, welche das Gerüst des Tipis bildeten. Und erst wenn das regennasse Zelt abgebaut werden mußte. - unsäglich schwer für die Frauen. War doch das Zelt immer Eigentum der Frau und sie besaß bei den meisten Präriestämmen das Recht, ihren Mann des Zeltes zu verweisen.

Doch jetzt gab es das Leinen und es machte den Frauen Spaß mit diesem herrlich leichten und doch regenfesten Stoff, die Tipis zu schneidern. Auch gab es jetzt bei den Händlern Nadeln und Faden einzutauschen und auch aus Metall gefertigte Ahlen - Dinge, welche die Näharbeit um vieles erleichterten.

Händler bei Prärieindianern

Neuerdings konnten die Frauen zusätzlich ringsum im gesamten Zelt, bis in Schulterhöhe, eine zweite innere Bahn genannt "Lining" ziehen - etwas, das vorher nur bei Familien möglich war, die viele Häute besaßen. Diese schützte die Bewohner vor den Blicken der Außenstehenden, wenn das Licht im Inneren des Zeltes durchschien und diente als zusätzlicher Wärmeschutz und Tauhülle.

Jetzt hören wir leisen Gesang zwischen den Zelt......es ist Eyan-Paha der Ausrufer.
Als Erster bewegt er sich Morgens zwischen den Zelten und weckt die Menschen welche in Ihren Zelten liegen.
Jeden Morgen macht er seine Runde, bleibt in Hörweite der Zelte stehen und ruft den Menschen welche unter ihren Büffeldecken liegen, kleine Weisheiten und Verhaltensregeln zu. So war es schon zu den Lebzeiten der Großväter und Urgroßväter und so sollen es die jungen Männer weiterbetreiben, denn es ist gut so.

Mädchen holt ihr Pferd von der Tränke - Barbara Sullivan

Nun bewegte sich die Zeltklappe eines Tipis und ein junges Mädchen schaut heraus. Sofort kommen die Hunde angelaufen, da sie irgendwelche Essensreste erwarten, doch sie verscheucht die Hunde und beugt sich über die Feuerstelle welche sich vor dem Zelt befindet. Heute wird die große Schwester die ersten Freier empfangen, und da heißt es ein ordentliches Feuer zu entfachen, die Kochsteine müssen rotglühend werden, denn heute muß für die Gäste eine ordentliche Suppe im Kochmagen hergerichtet werden.
Immer mehr Leute kommen jetzt aus ihren Zelten und laufen zum Fluß. Wie es schon zu allen Zeiten üblich war, gibt es für Männer und Frauen getrennte Waschplätze. Oft verbergen sich hier die jungen Männer um ihrer Liebsten beim Baden zuzusehen oder im Gebüsch versteckt, während sie vorüber geht, ihren Knöchel schnell zu berühren. 

Jetzt verlassen auch ihr Vater und ihr Bruder das Zelt.um wie jeden Morgen einen Wettlauf zum Fluß zu machen. Sie nutzt mit ihrer Mutter gerne diese Zeit um das Frühstück der Familie vorzubereiten. Jetzt hat sich auch das Feuer herrlich entwickelt und prasselt laut. Doch ein prasselndes Feuer braucht eine Menge Holz, und so weiß das Mädchen, daß es mit der Mutter und der großen Schwester wenig später wieder Holz sammeln muß für den Tagesbedarf. Nun tritt die Mutter vor das Zelt und wirft einen Blick in die Runde. Viele Frauen haben inzwischen ein Feuer entfacht um das Frühstück vorzubereiten.

Aus vielen Zelten steigt zwischen den Rauchklappen der Rauch der Feuer, welche auch in den Zelten entfacht wurden, in den Himmel. Es ist eine friedliche Atmosphäre die zu dieser Stunde im Lager herrscht.

Camp von Prärieapachen (Lipan)

Im Zelt hat die Mutter bereits den Tee aufgesetzt. Wie jeden Morgen trink die Familie kühles Wasser oder Sassafras Tee. Hier hatte die Mutter zusammen mit anderen Frauen des Lagers vor einigen Tagen die Rinde des Sassafrasstrauches abgeschält und getrocknet. Mit heißem Wasser aufgebrüht, ergibt das einen vitaminreichen, aromatischen Tee.
Neben dem Feuer wird jetzt der Kochmagen aufgehangen. 4 Stäbe stecken im Viereck im Boden. Jetzt hängt die Mutter an diesen Stäben den gereinigten Magen einer Büffelkuh so auf, daß er eine viereckige Öffnung bildet. Aus einem Rohhautbehälter schabt sie  mit einem Messer eine ordentliche Menge einer dicken Paste ab und lässt sie in den Kochmagen fallen. Sie greift hinter sich ins Zelt und füllt aus einem nassen zusammengenähten Rehfell eine Portion Wasser zu der Paste in den Kochmagen. Die Tochter hat die Steine im Feuer so gedreht, daß sie in der Hitze leicht rot werden. Jetzt nimmt die Mutter mit einem gegabelten Stock einen Stein auf und läßt ihn in den Kochmagen fallen. Sofort fängt um den Stein das Wasser an zu kochen, nach kurzer Zeit läßt die Mutter einen zweiten Stein in den Magen fallen. Die Paste hat sich in dem heißen Wasser nun aufgelöst und das Aroma einer Gemüsesuppe läßt der Mutter und ihrer Tochter den Hunger spürbar werden. Schon vor Wochen hatten die Frauen der Familie mit ihren Grabstöcken Prärierüben ausgegraben und wohlschmeckende Kräuter und Wurzeln gesucht. Zusammen mit dem aufgelösten Fett einer Büffelkuh, wurden die kleingehackten Rüben mit den Kräutern, geriebenen Nüssen, Beeren und getrockneten Fleischstücken zu einem Schmalz zusammengerührt einer Instantbrühe, die jetzt in kochendem Wasser zu einer Suppe gart.

Kochen am Lagerfeuer

Der Vater und der Sohn kommen außer Atem vom Fluß zurück und setzen sich auf ihre Rückenlehnen, welche vor dem Zelt stehen. Die Mutter füllt die Suppe in halbierte Büffelhörner, welche sich vorzüglich als Suppentassen eignen. Schlürfend und mit aus Horn geschnitzten Löffeln wird die Suppe verzehrt.
 

Nur die älteste Tochter hat sich noch nicht aus dem Zelt hervorgewagt. Sie sitzt im Inneren auf ihrem mit Büffelhäuten gedeckten Bett aus Weidenruten und näht noch etwas an ihrem Kleid. Da es den jungen Männern und Frauen auf den nördlichen Prärien strengstens untersagt war im Lager öffentlich sich zu berühren oder Zärtlichkeit zu zeigen, gab es nur wenig Möglichkeiten für etwas Zweisamkeit. Heute war es soweit, sie durfte die jungen Männer, welche bei den Tänzen im Rund ihr feurige Blicke zugeworfen hatten, vor dem Zelt empfangen.

Unweit vom Zelt unserer Familie entfernt,  bereiten sich einige junge Männer auf das Stelldichein vor. Sie bürsten ihr Haar und flechten in die Zöpfe zusätzlich noch Stoffbänder ein. Sie reiben Fett auf das Haar, damit es mehr Glanz bekommt. Federschmuck wird ins Haar gebunden, Farbe aufgelegt und man betrachtet das fertige Werk im Spiegel. Sauber gearbeitete Leggins, verziert mit gefärbten Stachelschweinborsten oder von den Händlern erstandenen Glasperlen werden über die Beine gestreift. Andere welche schon fertig sind, binden die Schwänze ihrer Pferde hoch und bemalen diese noch. Jetzt heißt es warten bis die Zeichen zum Besuch der Angebeteten offensichtlich werden. Niemals dürfen die jungen Männer hier Nervosität zeigen, denn ruhige Gelassenheit ist ein wichtiges Merkmal eines Mannes.

Während die Mutter unserer Familie das Eßgeschirr zum Fluß trägt um es dort zu reinigen, bleibt die jüngere Tochter bei dem Kochmagen um ihn zu bewachen. Würde sie ihn auch nur einen Augenblick unbeobachtet zurücklassen - die Hunde hätten ihn in kürzester Zeit zerrissen und verschlungen. Soll doch die restliche Suppe zur Verköstigung der erwareteten Gäste dienen.

Jetzt kommt die Großmutter unserer Familie aus einem naheliegenden Zelt hervor und wird freudig begrüßt. Ist sie doch heute eine wichtige Persönlichkeit. Sie breitet eine Decke neben dem Zelteingang aus und läß sich ihrem Alter gebührend langsam darauf nieder. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, sie ließe sich besondersg viel Zeit damit. Jetzt steht sie langsam wieder auf und rückt und zieht an dem Lederkissen, gefüllt mit Haaren eines Büffels, um es in eine scheinbar bessere Position zu bringen. Dies scheint in der Tat wie ein Zeichen zu wirken, denn die jungen Männer, welche herausgeputzt zwischen den Zelten stehen, kommen langsam etwas näher. Man kann der alten Frau ansehen, daß sie diese Situation genießt, denn sie kichert leise in sich hinein. Auf ihren Zuruf hin, stellen sich die jungen Männer in einer Reihe neben dem Tipi auf.

3 Generationen Plains Indianerinnen

So warten sie darauf, dass ihre Angebetete aus dem Zelt kommen möge. Die alte Frau sieht sich die jungen Männer an und erinnert sich daran, wie sie als junges Mädchen neben ihrer Großmutter, in eine Decke verhüllt, „ihre“ Männer empfangen durfte. Es war schon von jeher so gewesen, daß die einzige Möglichkeit für junge Leute sich gegenseitige Zuneigung zu zeigen, sich unter den Augen der Öffentlichkeit bot. Es wäre eine Schande für die Familie eines Mädchens gewesen, hätten die Leute getuschelt, daß man sie mit einem jungen Mann im Wald beobachtet hätte.
Wie in einem Theater haben sich inzwischen die Bewohner der Nachbarschaft außerhalb ihrer Zelte niedergelassen um sich dieses immer wieder gerne gesehene Schauspiel nicht entgehen zu lassen. Hier und dort werden sogar Wetten abgeschlossen, welcher der jungen Männer der Glückliche wäre. Da die Prärie-Indianer leidenschaftliche Spieler waren, sammeln sich schnell auf einer Decke die Wetteinsätze Neben Messern, eingetauscht von den weißen Händlern, findet man auch einen Satz Pfeile oder praktische Behälter, mit den typischen Mustern in Stammesfarben verziert, vor.

Etwas außerhalb des Lagerkreises steht das Zelt der „unreinen Frauen“ wohin sich alle Frauen zur Zeit ihrer Regel begeben. Ist doch die Gefahr, daß sie in ihrem unreinen Zustand heilige geweihte Dinge, welche für eine erfolgreiche Jagd oder einen siegreichen Kriegszug von Wichtigkeit sind, berühren und somit die Kraft die ihnen innewohnt schwächen. Auch werden hier von den älteren, erfahrenen Frauen die jungen Mädchen über das Verhältnis Mann und Frau und die erforderlichen Regularien untereinander aufgeklärt. Die momentanen Bewohnerinnen öffnen die Türe des Zeltes um ebenfalls etwas zu sehen.

Shanna - Paiute  by Barbara Sullivan

 Jetzt kommt Bewegung in das Geschehen, denn die Klappe des Tipis wird in die Höhe gehoben. Als erstes verläßt die Mutter das Zelt - sie trägt eines ihrer schönsten Lederkleider, rötlich eingefärbt mit Catlinitstaub und über den Schultern und Brust verziert mit Perlenstreifen und Elchzähnen. Die Beine werden mit ebenfalls verzierten und unterhalb der Knie festgebundene Leggins verdeckt. Es gilt als unschicklich, die Knöchel zu zeigen. Das war den alten Frauen vorbehalten, schaute doch kein Mann mehr begehrlich zu ihnen hin. Sie beugt sich vor und hilft ihrer Tochter vor das Zelt zu treten. Anmutig hebt diese ihr weißes Lederkleid und tritt über den Türbereich des Tipi. Ein kleiner Fuß mit einem in den Farben blau und weiß verzierten Mocassin und dazu passenden Legging wird sichtbar. Mit gesenktem Kopf, so wie es sich für ein unverheiratetes Mädchen gehört steht sie neben ihrer Mutter. Der Vater schlüpft mit mißmutigem Gesicht hinter ihr aus dem Zelt und gesellt sich einer Gruppe von gleichaltrigen Männer zu, welche wie er, Mitglieder einer Kriegergesellschaft sind.

Es scheint, als wolle er sie zu einem Bogenwettschießen überreden, weil ihm doch das Theater um seine Tochter peinlich und lästig erscheint. Doch die Männer lachen, machen einige Bemerkungen und lehnen ab - wird doch jeder Gast mit einer Kelle warmer Suppe bewirtet.

Das junge Mädchen steht jetzt neben der sitzenden Großmutter. Sie hat ihre mit einem Spinnensymbol bemalte Lederdecke um die Schultern gezogen und wartet mit gesenktem Kopf. Die Mutter blickt noch einmal in das gerötete Gesicht ihrer Tochter, weiß sie doch, daß der Auserwählte sich unter den jungen Männern befindet. Auch sie setzt sich etwas abseits zu einer Gruppe von eifrig schwätzenden Frauen, von welchen jede nebenbei noch mit einer Handarbeit beschäftigt ist.

Die Großmutter gibt mit ihrer Hand ein Zeichen und der erste junge Mann darf sich nähern. Jetzt stecken alle Zuschauer die Köpfe zusammen und tuscheln - wie wird das Mädchen sich verhalten? Mit weiterhin gesenktem Kopf hebt sie die Decke von ihren Schultern und breitet sie über beide Köpfe aus, so dass sie unter der Decke miteinander sprechen oder auch Zärtlichkeiten austauschen können. Doch es dauert nur kurze Augenblicke und mit hochrotem ärgerlichen Gesicht kommt der junge Mann unter der Decke hervor. Man sieht ihm seinen Ärger an, hatte er doch geglaubt bei ihr eine Chance zu haben. Die Frauen etwas außerhalb des Lagers im „unreinen“ Zelt lachen schadenfroh, so dass es bis zu den Zuschauern zu hören ist. Auch der nächste Bewerber scheint wenig Erfolg zu haben, denn auch er kommt nach einer kurzen Zeit wieder hervor und verschwindet zwischen den Zelten. Aufmerksame Beobachter können sehen, dass das Mädchen einen schnellen Seitenblick wagt und ihre Wangen sich erneut röten. Jetzt nähert sich, recht ungelenk und nicht so hervorragend herausgeputzt, ein weiterer junger Mann dem Mädchen. Als er vor ihr steht, hat sie schon die Decke erhoben um ihn zu überdecken.

Wieder tuscheln die Leute miteinander, als sie sehen, daß er unter der Decke seine Hände hebt um eventuell im Schutze der Decke das Mädchen zu berühren. Jetzt reckt sie sich auf den Fußspitzen ihm entgegen und jederman kann an den Bewegungen der Decke erkennen, daß sie ihn umarmt. Dieses Zeichen ist deutlich genug für einige andere Bewerber, denn sie verlassen vorzeitig die Warteschlange. Jetzt wird auch die Großmutter aufmerksam, sie sieht an den beiden verhüllten Gestalten empor und macht ein ärgerliches Gesicht. Nein, so lange in der Öffentlichkeit unter einer Decke, das gehört sich nicht. Auch die Mutter signalisiert der Großmutter, sie möge doch einschreiten. So zupft die Großmutter an der Decke und ruft, daß nun Schluß wäre. Als das Mädchen sich die Decke wieder um die Schultern legt, sieht jedermann ihre geröteten Gesichter.

Girl in Painted Buffalo Robe - by Barbara Sullivan

Die Großmutter steht auf und gibt dem jungen, etwas unschlüssig dastehenden Mann den Hinweis, doch zu gehen - man wüßte ja nun Bescheid. Und auch er trollt sich zwischen den Zelten davon. Doch kaum hatte er zwei Zelte zwischen sich und das Mädchen gebracht, stößt er einen Jauchzer aus, und springt vor Freude in die Luft.
Die Großmutter bedeutet den anderen, verbliebenen Bewerbern, zu verschwinden - hier gäbe es nichts mehr zu holen für sie. Nun sitzt auch der Vater zwischen seinen Freunden und von ihnen hört er, welch eine gute Wahl doch seine Tochter getroffen habe. Der Junge wäre ein guter Reiter, zeige viel Mut wenn er eine Kriegergruppe begleitet und die Treffsicherheit seine Pfeile wäre hervorragend. Sicherlich wäre er gut in der Lage eine Familie und später seine Eltern und Schwiegereltern mit Fleisch zu versorgen. Schon lösen sich die angespannten Gesichtszüge des Vaters und er fällt in das Lachen der anderen mit ein.
Die Mutter hat inzwischen die Tochter wieder ins Zelt geführt und ihr geraten, das neue Kleid zu schonen und mit einem älteren Arbeitskleid zu vertauschen. Während sie sich umzieht, hört sie, wie außerhalb des Zeltes die Großmutter, Eyan-Paha den Ausrufer mit einem kleinen Geschenk beauftragt, all die jungen Männer und ihre Väter zu einer Suppe einzuladen. Als die Ehefrauen der eingeladenen Männer mit ihren Suppenschalen kommen, ist das Feuer an den Kochsteinen bereits wieder in Betrieb. Nur ein wenig später plumpsen die heißen Steine in den Kochmagen und erwärmen den darin befindlichen Inhalt. Kein Mann der über eine Frau verfügt, hätte sich selbst die Suppe geholt - das wäre gegen die Ehre und würde ihm nur den Spott der anderen eingebringen. Unverheiratete Männer bitten deshalb eine andere Frau ihnen die Suppe mitzubringen. Ebenso lassen sich die erwachsenen Söhne von ihren Schwestern oder Müttern bedienen. Bald sitzt ein schlürfender, schwatzender Kreis von jungen und alten Männern vor dem Zelt, während die Frauen im Hintergrund warten um die Schüsseln der Männer nochmals zu füllen.
Jeder beglückwünscht die Eltern des Mädchens zu der guten Wahl. Sie selbst steht mit der Schöpfkelle neben dem Kochmagen, bereit die herangereichten Näpfe zu füllen. Besorgt blickt sie in den Magen ob denn noch genug Suppe für die Gäste da wäre.

Pipe-Ceremony bei den Crow -- von Howard Terpning

Die Männer welche mit Essen fertig sind, greifen hinter sich und holen ihre Tabaks-und Pfeifenbeutel hervor. Seit einiger Zeit gibt es Tabake bei den weißen Händlern, welche geschmackvoller sind als die ehemals verwendeten Tabake, gemischt aus verschiedenen Rinden einiger Sträucher. Man raucht die Pfeife zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten. So wie jetzt raucht man zur Unterhaltung und benutzt dazu schlichte, ungeschmückte Pfeifen. Sitzen Männer zusammen um über eine ernste Sache zu entscheiden, werde diese Entscheidung mit einer Pfeife besiegelt die von Mann zu Mann weitergereicht wird. Bei sakralen Gelegenheiten raucht man eine der heiligen Pfeifen. Dazu ist es erforderlich, den Kopf und den Stiel der Pfeife im Rauch glimmenden Salbeis zu reinigen. Hierbei werden Gebete an die vier Himmelsrichtungen, Mutter Erde, alle gefiederten, gehörnten, zwei- und vierbeinigen Lebewesen zu sprechen. Man bittet Wambli-Gleschka, den gefleckten Adler, auf seinen Schwingen den Rauch mit hinaufzunehmen, damit Wakan Tanka, das große Geheimnis, die Wünsche und Gebete der Menschen möglichst nahe gebracht werden. Doch jetzt raucht man nur zur Geselligkeit.

Das Herstellen von Pemmikan

Die Zeltklappe des Frauenzeltes ausserhalb des Lagerkreises hat sich inzwischen auch wieder geschlossen und man hört oftmals ein helles Lachen aus dieser Richtung. Für die Frauen welche dort auf das Abklingen ihrer Regel warten, ist es die schönste Zeit im Monat, hier in diesem Zelt zu verweilen, ist doch sonts ihr tägliches Leben vom frühen Morgen bis zum späten Abend mit Arbeit ausgefüllt. Angefangen mit dem morgendlichen Zubereiten des Frühstücks, das anschließende Richten der Bettgestelle und ist dieses getan, warten weitere Verrichtungen. Als nächstes heißt es die Wasservorräte aufzufüllen und neues Feuerholz herbeizuschaffen.

Das Wasser wird oberhalb der Badestellen von den Frauen und Mädchen in für diesen Zweck gereinigte Blasen von erlegtem Wild geschöpft und heimgetragen. Die Wege zum Feuerholz werden dabei täglich immer weiter, da das nahebei liegende Holz schnell eingesammelt ist. Für die älteren Frauen ein hartes Stück Arbeit den Tagesholzvorrat herbeizutragen.
Ist
dieses alles getan muß unverzüglich das Material zur Kleidererstellung weiter bearbeitet werden. Für die Herstellung von Leggins, Mocassin oder Hemden als Bekleidung der Männer und Lederkleider für die Frauen werden die Häute von Antilopen oder Bergschafen verwendet.
Das Herstellen von weichem flauschigem Buckskin unterliegt unterschiedlichen Arbeitsschritten.Zuerst wird die frische, man sagt „grüne“ Haut auf einen Rahmen gespannt und von der Fleisch-, also Innenseite, von restlichen Fleisch, -Fett-, und Muskelstückchen befreit und gereinigt. Dann wird die Haarseite mit einem scharfen Schaber, im Sioux-Dialekt „Wahintke“, bearbeitet. In diagonalen Strichen werden die Haare heruntergeschabt und aufbewahrt. Sie kann man später zum Füllen von Sitzkissen oder Reitsätteln verwenden. Die gereinigte und enthaarte Haut wird aus dem Rahmen genommen und gründlich im fließenden Wasser gewaschen. Dann spannt man sie erneut in den Rahmen, oder pflockt sie straff ausgespannt auf den Boden. Nun kann man mit dem eigentlichen Gerbprozeß, mittels "hirnen" der Haut, fortfahren. Eine alte Lakota-Redensart sagt: "Jedes Tier gerbt sich selbst", das heißt das Hirn eines Tieres reicht aus um in die Haut eingewirkt zu werden. Dazu ist es erforderlich das gekochte Hirn des Tiere mit einem porösen Sandstein, der Schmirgelwirkung wegen, von beiden Seiten in die Haut einzureiben. Mit dem verbliebenen Kochwasser wird anschließend das Hirn förmlich eingewaschen.

Gerben von Büffelhäuten

Nun muß die Haut feucht zusammengerollt einen Tag liegen bleiben. Am nächsten Tag reibt man sie über einem rauhen Seil so lange hin und her, wendet sie dabei mehrfach, bis sie nach ca. 3 Stunden Arbeit weich und flauschig ist. Das so gewonnene Material wird dann mit Knochenahle und Elksehne zu Kleidungsstücken genäht. Man verziert die Kleidung gerne, ob mit Malerei, Stachelschweinborsten oder wie man in letzter Zeit immer öfter zu sehen bekommt, mit bunten Glasperlen, die man immer häufiger von den weißen Händlern bekommt.

Waren es in der ersten Zeit etwas größere Perlen, genannt Pony-Beads -so genannt, weil die Händler sie auf ihren Ponys herbeischafften - oder so wie jetzt. die kleineren Seed-Beads, weil sie an Samenkörner erinnern. Änderten sich auch die Materialien der Verzierung, so blieb doch die Geometrik und Farbe der alten überlieferten Muster erhalten.
Jetzt kommt wieder etwas Bewegung ins Lager. Eine johlende Gruppe von vielleicht 10-jährigen Jungs rennt nur mit dem Lendenschurz bekleidet durch das Lager zum Fluß. Sie wollen Krieg spielen. Gilt es doch für die Männer als große Ehre mutig im Krieg zu sein, so proben die Kinder ihren Mut und Tapferkeit von früh an, im Spiel mit den anderen. Sie brechen sich von den Sträuchern biegsame lange Ruten ab und beginnen aus dem Schlamm des Flusses matschige Kugeln zu kneten. Sie bilden zwei Parteien, stellen sich gegenüber auf und verspotten sich, wie die erwachsenen Krieger auf einem Kriegszug bevor die Kampfhandlungen beginnen. Die Schlammkugeln werden auf die Spitzen der Weidenruten gesteckt, man holt aus und schleudert die Kugeln auf die gegnerische Mannschaft. Weglaufen oder sich in Deckung bringen, wird mit Hohngelächter quittiert. Als mutig gilt derjenige, welcher trotz aufschlagender Matschkugeln tapfer auf den Feind stürmt um einen ordentlichen Treffer zu landen. Anschließend springt man ins Wasser um den Schlamm abzuwaschen. 

Oben im Zeltdorf haben die kleinen Mädchen, welche noch nicht der Mutter bei der täglichen Arbeit zur Hand gehen, aus kleinen Miniaturzelten ihr eigenes Dorf aufgebaut. Hier spielen sie alles das nach, was das tägliche Leben ihnen zeigt. Ihre Puppenmänner ziehen aus um bei den Pawnee Pferde zu stehlen, die Frauen gerben Felle, oder die Mägen von Kaninchen werden wie Kochmägen an kleinen Stöckchen aufgehangen.

Plains-Apache - Mädchen mit Puppe - Barbara Sullivan

Schon seit dem frühen Mittag sitzen im Beratungszelt die alten Männer zusammen. Es gilt zu beraten, wann das Lager abzubrechen ist, denn die Jagdgesellschaften müssen immer weitere Wege zurücklegen, um die Büffelherden zu finden. Einer bemerkt auch, daß das Feuerholz in der Umgebung zur Neige geht. Ein anderer stellt fest, daß die Anlage zur Verrichtung der Notdurft bald nicht mehr zu benutzen ist. Die Männer ziehen an ihren Pfeifen und grübeln. Wenn man jetzt weiter zieht bedeutet es unter Umständen, dass man den Platz, an welchen man den Winter über bleiben wollte, zu früh bezieht und zu schnell die gleichen Versorgungsprobleme hat. In der Runde sitzen unterschiedliche Führer der einzelnen Gruppen welche für das Wohl des Lagers zu sorgen haben. Dort sitzen „Schnee in seinem Haar“, der älteste und weiseste der Männer. Er ist auch der Führer der Kriegergesellschaften und für deren Belange zuständig - neben ihm „Rote Mocassin“, Anführer der Tokala -der Kriegergesellschaft der Füchse. Auf der gegenüberliegen Seite raucht der Wanagi, der Geheimnismann und neben ihm die Führer anderer Gruppen und "Findet den Feind“, Führerfür alle Belange welche nichts mit Krieg zu tun haben. Er läßt auch über „Eyan-Paha“ den Ausrufer, alle für die Leute wichtigen Nachrichten verkünden.
Wanagi räuspert sich, so wie er es jedesmal tat, wenn er nach langem Überlegen etwas sagen wollte: „Ich denke, wir bleiben noch 5 Sonnenläufe und ziehen dann zu den großen Versammlungsplätzen“. Die Männer heben überrascht ihre Köpfe - zum Versammlungsplatz sollte es gehen. Man war schon zwei Winter nicht mehr an den Versammlungsplätzen gewesen.
Seit langen Zeiten war es üblich, daß sich viele der nomadisierenden Gruppen, bevor man das Winterlager bezog, zu einem großen, nicht allzu lange dauernden gemeinsamen Lager traf. Einige hundert Menschen hätten zu schnell alles Feuerholz eingesammelt, und alles jagdbare Wild im Umkreis von zwei Tagesritten durch die Mägen geschickt. Man hatte die letzten zwei Winter nicht mehr daran teilgenommen, weil es Streit mit einer anderen Gruppe gegeben hatte, einer Gruppe der Nakota, welche weiter im Norden ihre Jagdgebiete haben. Diese Leute nennen sich „Assiniboin“ welche ins deutsche übersetzt soviel wie „Steinekocher“ heiß - behaupteten sie doch, als erste das Kochen mit Steinen praktiziert zu haben. Diese Leute sind bekannt dafür, Streitigkeiten nicht aus dem Wege zu gehen und wenn es ein Mädchen gibt welches den jungen Männern der Nakota gefällt, können sie sehr aufdringlich sein und gegen die alten überlieferten Verhaltensregeln verstoßen. Ebenso sind sie dafür bekannt, andere zu Kriegszügen anzustacheln, doch nähert man sich dem Feind, ist ihre Kriegsbegeisterung und eine Anzahl ihrer Krieger wieder verschwunden. Sie tragen, Männer wie Frauen, außerordentlich schöne Kleider.

Das Fest - Howard Terpning

 

Ein Besuch dieses gemeinsamen Treffens bedeutet aber auch viele Tänze, Ballspiele und Einladungen zu Freunden welche man lange nicht mehr gesehen hat und Möglichkeit für den äußerst wichtigen Tauschhandel. "Schnee in seinem Haar“ blickt sich im Kreise der Männer um und sieht erwartungsvolle Gesichter - wie wird seine Entscheidung ausfallen? Er löst den Kopf der Pfeife vom Stiel und klopft den Rest der Asche in die hohle Hand. Das war das Zeichen, daß er eine Entscheidung getroffen hat. Jetzt wirft er die Asche in die Glut des Feuers, nickt „Findet den Feind“ zu und sagt: „Sollen die Frauen nach 5 Sonnenläufen die Planen lösen“.

Jetzt geht ein Aufatmen durch den Männerkreis und ein jeder malt sich schon in Gedanken dieses von allen gewünschte Treffen aus. Als die Männer vor das Zelt traten, wartet eine Gruppe von Männern nicht weit entfernt um als erste die Entscheidung zu hören. Unter ihnen befindet sich auch „Eyan-Paha“, der Ausrufer. „Findet den Feind“ winkt den Ausrufer zu sich und teilt ihm den Entschluß der Versammlung mit. Ein Strahlen läuft über das Gesich von „Eyan-Paha“ - hat er doch die Möglichkeit in einer Woche einen Teil seiner Familie, welche in eine andere Jagdgruppe eingeheiratet hat, wiederzusehen. Er läuft zu seinem Zelt und hält die kleine Handtrommel über das Feuer um die Haut zu spannen, damit sie einen hellen rufenden Ton erhält. Er erneuert die zwei schwarzen Streifen auf seiner rechten Gesichtshälfte, welche ihn als Ausrufer und gleichzeitig als Mitglied der Akicita, der Lagerpolizei ausweisen. Dann verschwindet er mit seiner Trommel zwischen den Zelten verschwinden und man kann sein Ausrufen hören.

 
Die Leute welche ihn vernehmen lachen und freuen sich auf die Festlichkeiten, welche man bald begehen kann. Die Sonne wirft bereits längere Schatten als von einem Hügel außerhalb des Lagers ein Ruf zu hören ist. Der Akicita, welcher auf dem Hügel steht, hat das Signal eines anderen Wächters, der so eben noch in Sichtweite entfernt vom Lager seinen Dienst tat, gesehen. Jetzt schwenkt er seine rote Decke um die Leute im Lager aufmerksam werden zu lassen. Bald würde ein Reiter ins Dorf kommen und berichten, was sich dem Lagerplatz nähert. Es dauert ungefähr zwei Pfeifenlängen, bis auf einem schweißnassen Pferd ein Reiter ins Lager prescht. Die Kinder laufen ihm nach um zu erfahren, was es gäbe. Doch er beachtet sie nicht, hält direkt vor dem Zelt von „Schnee in seinem Haar“ an und kratzt an der Zeltwand. Die Frau von „Schnee in seinem Haar“ hebt die Zeltklappe und läßt den Reiter ein. „Schnee in seinem Haar“ läßt dem erschöpften Reiter durch seine Frau Wasser reichen, damit er seinen Durst stillen kann. Jetzt wird erst eine Pfeife gestopft und angezündet. Man reicht diese Pfeife hin und her zieht den Rauch ein und schweigt. Es war nicht üblich, gleich mit einer Nachricht herauszuplatzen. Nachdem sich der Atem des Mannes beruhigt hat, fragte er ob es im Lagerkreis Neuigkeiten gibt. „Schnee in seinem Haar“ erzählt ihm, daß seine Frau bald zum Fluß müsse, neue Kochsteine zu besorgen, die alten würden absplittern und die Suppe verunreinigen. Nach einer Pause und ziehen an der Pfeife fragt er den Mann ob er etwas zu berichten habe.

Dieser läßt sich nochmals die Pfeife reichen und sagt, daß man die Staubfahne eines Wagens, wie ihn die „Wacisu“ oder Weißaugen benutzen gesehen hätte. Wieder wird an der Pfeife gezogen. „Hattet ihr junge Männer dabei, welche sich an die Weißaugen heranschleichen konnten“, fragt „ Schnee in seinem Haar“. Der Mann reichte die Pfeife herüber, lehnt sich zurück und sagt: „Ja es waren zwei Halbwüchsige so nahe an dem Wagen, daß sie ihn hätten berühren können, ohne das die Weißaugen sie gesehen hätten“.Dann berichtet er, daß es vier weiße Männer wären, die mit einem Wagen beladen mit Handelswaren sich dem Lager nähern.

Händler - Howard Terpning

Man schätzt, das es in zwei Sonnenläufen zu einer Begegnung kommt. Der Führer der Gruppe nickt, löst den Kopf von der Pfeife und reinigt sie. Er nickt dem Mann dankend zu und bittet ihn,
„Roten Mocassin“ zu rufen.
Wenig später kratzt der „Rote Mocassin“ an der Zeltwand und wird eingelassen. Wieder zündet man die Pfeife an, bevor man zum Thema kommt. Die Tokala sollten sich aufmachen und die Weißen ungesehen begleiten. Auch solle jederzeit ein Kundschafter das Lager über die Entfernung unterrichten. Man wolle Vorkehrungen für diesen Besuch treffen.
Sofort nach verlassen des Zeltes werden mittels des Ausrufers die Mitglieder der Kriegergesellschaft zusammengerufen. Im Versammlungszelt der Tokala bemalen sich die Füchse mit gelber Farbe, legen im Gesicht Kriegsbemalung an und bewaffnen sich. Jeder von Ihnen trägt Pfeil und Bogen, ein Jagdmesser in einer Scheide an der Seite und in der Hand eine Steinkeule. Nur wenige sind im Besitz eines „Massa-Makan“ eines „Geheimnis-Eisens“ - so nennt man die Feuerwaffen des weißen Mannes. So effektiv auf größere Distanz eine Feuerwaffe war, bereitet es den Besitzern Schwierigkeiten an Pulver und Blei zu kommen. Da gab es nur die weißen Händler und diese wollten immer mehr für ihre Waren. Man hatte sich inzwischen angewöhnt die Bleikugeln welche ein Tier zur Strecke gebracht hatten, wieder herauszuschneiden und neu zu verwenden. So gerüstet verlassen die Männer das Zelt um sich von ihren Frauen zu verabschieden und ihre Kriegspferde zu holen. Einige bemalen ihre Pferde und binden ihnen die Schwänze hoch. 

Bericht der Scouts - Howard Terpning

In der Mitte des Lagers, umgeben von Schaulustigen sitzt der „Rote Mocassin“ auf seinem nervös tänzelndem Pferd. Jetzt setzt er eine Knochenpfeife an den Mund und bläßt einen hohen durchdringenden Ton. Von allen Seiten kommen zwischen den Zelten seine Krieger zu ihm und während sie ihn reitend umringen, rufen sie laut seinen Namen. Stolz, mit ihm an der Spitze, jagt die Kriegergruppe viermal um das gesamte Lager und hält am Zelt von „Schnee in seinem Haar“ an. „Schnee in seinem Haar“ lächelt, muß der doch an die Zeit denken als er eine Gruppe von Kriegern geführt hatte.

Er reicht eine Pfeife zu „Roten Mocassin“ hoch. Der Kopf der Pfeife ist versiegelt mit Wachs. Dieses Siegel darf nur aufgebrochen werden, wenn der Zug gegen den Feind siegreich und ohne Verluste verlaufen ist. Nachdenklich schauen die Frauen und Kindern den Männern nach - es waren schon zu viele in letzter Zeit nicht mehr zurückgekommen.
Schweigend in einer Linie reiten die Krieger in die Richtung, aus der man die weißen Händler erwartet. Wenn sie sich beeilten, konnten sie die Weißaugen noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Die Sonne steht eine Handbreit über dem Horizont als man auf eine kleine Baumgruppe etrifft. Hier halten die Männer an. Sie steigen von den Pferden und entledigen sich ihrer Kleidung, bis auf den Lendenschurz und Mocassin. Jeder rollt seine Kleidung zu einem Bündel und verbirgt es im Unterholz. Auf dem Rückweg würde man die Kleider wiederfinden. Jetzt werden Farben angerührt und die Männer legen ihre ganz persönliche Bemalung auf. Die welche fertig sind, prüfen ihre Waffen und sorgen für einen sicheren Sitz des Messers. Man würde die Begegnung mit den Weißaugen davon abhängig machen, ob diese feindliche oder geduldete Händler waren. Ihr Verhalten würde über Leben und Tod entscheiden. Der „Rote Mocassin“ trägt die versiegelte Pfeife zusammen mit Pfeil und Bogen auf dem Rücken - sie ist die Verbindung mit denen daheim, welche vor eventuellen Feinden beschützt werden müssen. Als die Männer jetzt weiter reiten wird kein Wort mehr gesprochen, nicht mehr lange und die Pferde werden ebenfalls in einer Senke zurückgelassen - unter den wachen Augen eines Halbwüchsigen.

Für die Jungen im Alter von 14 bis 16 Jahren war solch ein Kriegszug die beste Gelegenheit sich als mutiger Mann zu zeigen. Durften sie noch nicht mit den Kriegern ziehen, blieben sie doch wenigstens als Pferdewachen zurück. Im Falle eines schnellen Rückzuges war es wichtig, das die Pferde sofort reitfertig waren und nicht erst eingefangen werden mußten. Hat ein ein Pferdejunge es gut gemacht, durfte er beim nächsten Male mit den Kriegern ziehen.
Ein vorausgeschickter Mann kommt den Kriegern entgegen. Man hockt sich zum Kreis zusammen und er weis zu berichten, daß die Weißaugen in ca. 300 Mannslängen entfernt ein Lager aufgeschlagen haben. Wenn man nur die Nasen hebt, kann man den Rauch ihres Feuers riechen. Die Männer lächeln unter ihrer Bemalung, schon lange haben sie den Geruch eines Feuers in ihren Nasen. .

Warning - Howard Terpning

Nur die Weißaugen sind so dumm Feuer zu entfachen, welche über viele Meilen zu riechen sind. Die Sonne ist inzwischen untergegangen und der Mond malt bizarre Schatten in die buschbewachsene Prärie. Geräuschlos wie Schlangen gleiten die Krieger durch das Gras auf die Feuerstelle zu
Jetzt kann man im Mondlicht einen Planwagen erkennen und davor zwei ausgespannte Maultiere die das harte Büffelgras rupfen. Fünf weiße Männer sitzen um das Feuer und schneiden sich Stücke von einem Truthahn ab, welcher über der Feuerstelle gart. Ein weiterer Mann mit einem Gewehr in der Kniebeuge sitzt auf dem Kutschbock und versucht ins Land zu spähen um etwaige Besucher zu entdecken. Die Männer haben eine Flasche Minni-Wakan geöffnet und lassen die Flasche kreisen. Das „Geheimnis-Wasser“ sticht den in den Büschen liegenden Männern in die Nase und weckt bei einigen eine böse Erinnerung an dieses Getränk. Der „Rote Mocassin“ zieht sich etwas zurück um mit seinen besten Kriegern zu besprechen wie man vorgehen wolle. Auf ihren Fersen hockend flüstern die Männer miteinander. „Sie sind alle gleich diese Weißaugen“, sagt „Viele Pfeile" -“wir wollen ein paar Pfeile in sie schießen und ihren Wagen nehmen“.„Es sind einige „Massa-Wakan“ zu sehen, holen wir sie uns“, schlägt „Stiehlt Pferde“ vor. Der „Rote Mocassin“ schüttelte den Kopf:“Sie sind wie die Heuschrecken - erst waren es nur wenige, jetzt melden immer mehr unserer Jagdgruppen, daß sie Spuren der Weißaugen entdecken. Es sind auch schon weiße Pferdesoldaten gesehen worden - ein Shahila im letzten Jahr berichtete, daß am Sand-Creek ein ganzes Lager von den „Langmessern“ niedergemetzelt wurde. Sie haben keine Rücksicht auf Frauen und Kinder genommen. Der Sahila wußte einer grausamen Art des Wettbewerbs unter den „Langmessern“ zu berichten - nachdem diese sich den Spaß machten, wer die meisten Säuglinge auf den Säbel stecken konnte. Ebenso haben die „Langmesser“ den getöteten Frauen die Schamlippen abgeschnitten und sich an ihre Hüte gebunden“. Erregt greit „viele Pfeile“ zu seinem Messer und zischt:“ Ich hole mir dafür die Haare dieser Weißaugen“! "Roter Mocassin" legt seine Hand auf den Arm des erregten Mannes. „Wanagi hat gesagt, es ist besser einen Feind zu kennen, mit all seinen Eigenarten bevor man mit ihm streitet. Wir kennen zu wenig Weißaugen, laß diese hier unsere Gäste sein und sie beobachten und lernen wie sie sind“. Bis auf "Viele Pfeile" nicken die Männer, hatte doch Wanagi bisher immer recht behalten. 

Whiskey-Schmuggler - Howard Terpning

Sie beschließen, daß "Roter Mocassin" die Männer aus der Entfernung anrufen und sie somit auf sich aufmerksam machen solle. Der Mann auf dem Planwagen wird hinterher stolz sein, als erster einen Besucher ausgemacht zu haben. Der Rest der Krieger soll sich weiterhin in unmittelbarer Nähe des Lagers bereit halten. Bevor "Roter Mocassin" sich von den Kriegern entfernt um sich aus einer anderen Richtung den Weißaugen zu nähern, dreht er sich schnell zu "Viele Pfeile" um und greift nach dessen Arm. „Vergiß nicht, wer hier der Anführer dieser Gruppe ist......“

Nach einiger Zeit steht der Mann auf dem Planwagen auf und beugt sich angestrengt nach vorn um besser sehen zu können. Er ruft den am Feuer sitzenden Männern zu, daß sich jemand einen Ast schwenkend dem Lager nähert. Die Männer springen auf und greifen nach ihren Gewehren, welche neben ihnen im Gras liegen. Sie treten aus dem Feuerkreis und geben damit ihren Augen Gelegenheit sich an das Dunkel der Nacht zu gewöhnen. Sie sehen, wie laut rufend "Roter Mocassin" sich dem Lager nähert. Er hat sich die Farbe aus dem Gesicht gerieben und die Waffen abgelegt. Dazu hatte er seinen Lendenschurz aus Leder benutzt, der jetzt sehr bunt aussieht. „Hau, ketsche wa - mita kola“ ruft "Roter Mocassin", “hau ketsche wa.“ ----Hallo ihr da......wir sind Freunde. Einer der Weißen tritt einen Schritt nach vorn auf "Roter Mocassin" zu. Er gibt in fehlerhaftem Lakota-Dialekt zu verstehen, daß sie in friedlicher Absicht kommen und sich freuen würden mit den Lakota Tauschhandel treiben zu dürfen. "Roter Mocassin" fragte daraufhin, was sie denn mitgebracht haben? Sofort laufen zwei der Männer, nachdem der Sprachgewandtere übersetzt hat, zu den Wagen und schlagen die Plane zurück. Das Licht des Feuers bricht sich in den Spiegeln und Blechbechern. Zufrieden nickt "Roter Mocassin" und sagt den Männern, daß seine Begleiter jetzt erscheinen werden. Erschrocken weichen die Weißen zurück, als sich fast unmittelbar in ihrer Nähe die bemalten Krieger aus dem Gras erheben. Wenig später sitzen alle um das Feuer herum und trinken von dem süßen Kaffee welchen die Händler in einer großen Kanne über dem Feuer brauen. Man einigt sich darauf, am nächsten Morgen gemeinsam aufzubrechen und hofft nach zwei Tagesritten, das Lager zu erreichen. "Rote Mocassin" schickt noch in derselben Nacht einen Mann zurück, damit er das Lager über die bevorstehende Ankunft unterrichtet.

Als der frühe Morgen das Land in hellem Sonnenlicht badet, befindet sich die Reisegruppe bereits auf dem Weg zum Lakota-Lager. Jeder der Krieger raucht eine Zigarre während sie in einiger Entfernung den Wagen begleiten. Ebenso hat jeder von ihnen einen Emailbecher nach dem gemeinsamen Frühstück zum Geschenk bekommen. Als der Tag sich neigt, erreicht man die Stelle an der die Männer ihre Kleidung zurückgelassen haben. Während der Wagen sich weiterbewegt, kleiden sich die Männer an und legten frische Farben auf. Gilt es doch von einem Kriegszug zurückzukommen, der friedlich verlaufen und kein Mann verletzt oder zu beklagen ist.

Capture of the Horse-Bundle - Howard Terpning

Am Vormittag des nächsten Tages kommen dem Wagen und den Reitern schon einige Kinder aus dem Lager auf ihren Pferden entgegengeritten....haben sie die Ankunft doch nicht mehr erwarten können und waren den Eltern ausgerissen. Sie reiten Scheinangriffe auf den Wagen und müssen von den Kriegern zur Ordnung gerufen werden, als die angespannten Maultiere mehrmals scheuen. Jetzt werden die Ankommenden auch durch Deckenschwenken von den Akitica auf den Hügeln begrüßt. Die Händler haben sich inzwischen ebenfalls umgezogen und ihre Kleidung mit bunten Federn und farbigen Tüchern herausgeputzt. Sollen die Lakota doch sehen, welchen farbenprächtigen Artikeln sie von den Weißen erwerben können. Zwei von ihnen haben Instrumente hervorgeholt und versuchen ein Lied zu spielen, während aus dem Lager die Trommel tönt und der Gesang der Gesangsgruppe den Ankommenden entgegenschallt. So fährt der Wagen der Händler von den Kriegern umgeben in die Mitte des Lagers. Die weißen Musikanten springen vom Wagen, ergreifen ihre Musikinstrumente und spielen eine Weise zu der sie auch in ihrer Sprache singen. Von überall her strömen jetzt die Menschen zusammen um die Händler und ihre Waren zu bestaunen. So fremdartig diese Leute mit den Haaren im Gesicht auch aussehen, so war auch ihre Musik schrecklich anzuhören.
Schnee in seinem Haar hat sich mit den Händlern verständigt und ihnen erlaubt außerhalb des Zeltkreises ihr Lager aufzuschlagen. Am nächsten Tag war es soweit - die Händler breiten Decken auf dem Boden aus und breiten ihr Warenangebot darauf. Die herbeiströmenden Lakota sehen Wolldecken in herrlichen Farben, Spiegel, Messer, Äxte, Feilen, metallene Speer- und Pfeilspitzen, bunte Tuchstoffe und Bänder. Auf einer Extradecke liegen drei Gewehre, einige Stangen Weichblei, zwei Kugelzangen und ein Eisengusskelle zum Schmelzen des Bleis. Neben dem Wagen steht auch ein kleines Fässchen Schwarzpulver.

Die angebotenen Gewehre sind einschüssige Vorderladergewehre denen man den Gebrauch im amerikanischen Bürgerkrieg ansieht. Wenig später ist ein reger Tauschhandel in Gange und Biberfelle, Büffelhäute und alles was im Lager hergestellt wurde, wechselt den Besitzer. Freudig rufen sich die Frauen zu und zeigen ihren Freundinnen und Familienangehörigen die bunten Stoffe welche sie erworben haben. Andere überlegen bereits, welche Kleidungsstücke sie mit den erworbenen Perlen verzieren können. Etwas abseits stehen einige Männer zusammen und prüfen die Schärfe der erstandenen Messer. Aus dem Zelt der „unreinen Frauen“ rufen die Frauen, welche sich nicht unter die anderen mischen dürfen, ihren Familieangehörigen zu, was sie doch eintauschen sollten.

Red Blanket Coat - Howard Terpning

An diesem Abend haben alle das Gefühl, daß das Feuer besonders hell leuchtet. Auch die Händler sind zufrieden, haben sie doch viele Felle eingehandelt, welche sie mit hohem Gewinn weiterverkaufen können. Noch bis tief in die Nacht hinein werden die Weißaugen aufgefordert ihre schreckliche Musik zu spielen und dazu zu singen. Jetzt schließt sich so manche Türklappe und einige Blicke gehen zum Rand des Lagers - ob man wohl morgen, bevor die Händler das Lager verlassen, doch noch mal etwas versucht zu tauschen?

Wir verlassen jetzt dieses Lager der Lakota und kehren zurück in unsere Zeit.

Heute ist das, was wir gerade erlebt haben, nur noch in Büchern nachzulesen. Weit über hundert Jahre ist es her, daß die Plainsindianer Kontakt mit den Weißen bekommen haben und in weniger als einem Viertel dieser Zeit haben es die Weißaugen geschafft, das Volk der Prärieindianer bis auf wenige auszurotten oder in Reservationen zu kasernieren.
Heute besinnen sich die Nachkommen der Sioux wieder auf ihre alten Traditionen und man sieht auf ihren Pow-Wows immer öfter Lederkleidung im Stil der alten Zeit. Hatten sie doch von Beginn dieses Jahrhunderts an immer mehr die Bekleidungskultur der Weißen mit ihrer eigenen zu kombinieren versucht und dabei den Bezug zur alten Kultur mehr und mehr verloren.
Auf Eurer Reise weiter durch das Indianerland wünsche ich Euch eine gute Fahrt und ....Hau Kola!